77.91 Ökologische Psychologie
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Der Klimawandel stellt eine existenzielle Bedrohung für das menschliche Überleben, die soziale Organisation der Gesellschaft und die Stabilität der Ökosysteme dar. Er ist daher zutiefst beängstigend. Im Angesicht von Bedrohungen wollen sich Menschen häufig schützen, anstatt sich proaktiv zu verhalten. Wenn psychologische Ressourcen zur Bewältigung nicht ausreichen, reagieren Menschen oft mit verschiedenen Formen der Leugnung. Diese Dissertation leistet einen Beitrag zum Verständnis des vielschichtigen Phänomens der Klimawandelleugnung aus psychologischer Sicht.
Es gibt vier Forschungslücken in der Literatur zur Klimawandelleugnung: Erstens hat das Spektrum der Klimawandelleugnung als Selbst-schützende Reaktion auf die Klimakrise innerhalb der Psychologie bisher keine Beachtung gefunden. Zweitens wurde psychologische Grundbedürfnisbefriedigung, ein fundamentaler Indikator für menschliches Funktionieren und die Fähigkeit, mit Bedrohungen umzugehen, bisher nicht als Prädiktor für Klimawandelleugnung untersucht. Drittens sind Beziehungen des Spektrums der Klimawandelleugnung zu klimarelevanten Emotionen, insbesondere der Klimaangst, bisher nicht empirisch untersucht worden. Viertens wurde bisher nicht untersucht, wie sich das Spektrum der Klimawandelleugnung zu etablierten Prädiktoren der Klimawandelleugnung, d.h. rechtsideologischen Überzeugungen und männlichem Geschlecht, verhält. Um diese Lücken zu schließen, untersuche ich, wie sich das Spektrum der Klimawandelleugnung im deutschen Kontext manifestiert und wie es mit psychologischer Grundbedürfnisbefriedigung und -frustration, umweltfreundlichem Verhalten, Klimaangst, ideologischer Uberzeugung und Geschlecht zusammenhängt.
Fünf Manuskripte zeigen, dass Klimawandelleugnung im deutschen Kontext auf einem Spektrum existiert, das von der Verzerrung von Fakten (interpretative Leugnung, insbesondere Leugnung der persönlichen und globalen Folgenschwere) bis zur Leugnung von Implikationen reicht (implikatorische Leugnung, insbesondere Vermeidung, Leugnung von Schuld und Rationalisierung der eigenen Beteiligung). Über alle Analysen hinweg war niedrige psychologische Grundbedürfnisbefriedigung Prädiktor für das Spektrum der Klimawandelleugnung, das wiederum mit umweltfreundlichem Verhalten assoziiert war. Klimawandelleugnung stand generell in einem negativen Zusammenhang mit Klimaangst, mit Ausnahme einer positiven Assoziation von Vermeidung und Klimaangst. Rechtsideologische Überzeugung war der stärkste Prädiktor für Klimawandelleugnung über das gesamte Spektrum hinweg. Niedrige Bedürfnisbefriedigung und männliches Geschlecht waren weitere, aber schwächere Prädiktoren für implikatorische Leugnung.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass das Spektrum der Klimawandelleugnung viele psychologische Funktionen erfüllt. Klimawandelleugnung ist möglicherweise sowohl eine Selbst-schützende Strategie, um Emotionen herunter zu regulieren, als auch um sich vor dem Verlust von Privilegien zu schützen. Kurz gesagt stellt Klimawandelleugnung eine Barriere für Klimaschutzmaßnahmen dar, die möglicherweise erst dann überwunden wird, wenn Menschen über ausreichende psychologische Ressourcen verfügen, um sich der Bedrohung durch den Klimawandel zu stellen und mit zugrundeliegenden Selbst-schützenden, emotionalen Reaktionen umzugehen.